Auf Schatzsuche im Rathaus und Pfarrhaus

Heimatforscher auf der Spur nach historischer Urkunde und Depositenkiste

Waibstadt-Daisbach. (wig @ rsti) Für Ahnenforscher und Hobby-Genealogen aus der ganzen Welt, deren Vorfahren aus Daisbach stammen, ist Reinhard Stichling die erste Adresse. Er unterhält die Internetseiten "Chronik-Daisbach.de" und verfügt über eine Datenbank mit umfangreichen Informationen über frühere Generationen.

Eine kürzliche Anfrage brachte ihn auf die Spuren der Gutsbeständer vom Ursenbacher Hof bei Daisbach.
Der "ledige Privatmann Heinrich Musselmann" starb dort am 10. Mai 1903. In seinem Testament hinterließ er einen hohen Geldbetrag für "die Einrichtung eines Gemeindehauses der Mennonitengemeinde auf dem Ursenbacherhofe (1.000,- M), einen Geldbetrag für die Armen der Mennonitengemeinde (300,- M), eine Stiftung zugunsten der Daisbacher Ortsarmen" (200,0 M) und einen Betrag für die Missionsgesellschaft in Basel. (200,- M)

Bei seinen Recherchen stieß der Heimatforscher auf eine weitere örtliche Stiftung. Diese wurde laut am 10. November 1814 mit einem Kapital von 100 Gulden von Johann Michael Freiherr Göler von Ravensburg, Senior familiae (1728-1815) und Eberhard Friedrich III Freiherr Göler von Ravensburg (1760-1829) gegründet. Es sind drei Exemplare der Stiftungsseite erstellt worden. Die Neugierde über diese Stiftung war geweckt, was ist daraus geworden?

Im Gemeindearchiv im Dachgeschoss des Rathauses stieß man auf alte Akten. Der Zweck dieser Stiftung bestand darin, "dass die Zinsen darauf jährlich um Pfingsten zu Brot verwendet und dieses unter die Armen des Ortes, beider Glaubensbekenntnisse, verteilt werden solle". Mit vier Gulden konnten etwa 40 Laib Brot beschafft werden.

Die Stiftungsurkunde wurde nur als Abschrift gefunden. Etwas geheimnisvoll heißt es darin, dass diese sowie die Pfandurkunde über die Darlehenssicherheiten des Stiftungskapitals sich in der Depositenkiste im Evangelischen Pfarrhause unter doppeltem Verschluss befindet, "wozu der Ortspfarrer den einen, und der Kirchengemeinderath Georg Michael Müller den andern Schlüssel hat". Auch 1868 findet sich der gleiche Hinweis auf die ominöse Depositenkiste, deren einen Schlüssel "der Pfarrer und Kirchengemeinderath Ludwig Merz den anderen hat". In den Akten selbst sind für jedes Jahr Listen abgeheftet, auf denen zu ersehen ist, wem ein oder mehrere Laibe Brot zugeteilt wurden. Ab 1824 wurden aus der Stiftung für drei Jahre neue Schulbücher für die Schule in Daisbach angeschafft und 1836 dann 42 Gesangbücher.

Die Original-Stiftungsurkunde aber fehlt, auch über den Verbleib der Depositenkiste fand sich kein Hinweis.

Im derzeit verwaisten Pfarrhaus wollte man der Sache auf den Grund gehen. Die Forscher nahmen jeden Raum in allen fünf Geschossen, vom Gewölbekeller bis zum obersten Speicher unter die Lupe. Jeder alte Schrank und der antike Tresor wurden durchsucht, die letzten Winkel in Keller mit der Taschenlampe ausgeleuchtet. Die Heimatfreunde kamen sich vor wie Schatzsucher.
Auf dem Dachboden entdeckten sie tatsächlich eine wurmstichige Holzkiste mit rostigen Beschlägen, die dem Alter der Depositenkiste entsprechen könnte. Die Spannung stieg. Vorsichtig wurde der Deckel geöffnet. Doch es kamen nur alte Schieferplatten zum Vorschein, keine Spur einer Urkunde.

Die Verantwortung für die Stiftung ging ab 1. Juli 1870 an die politische Gemeinde Daisbach über. Infolge der Währungsreform war 1949 das Vermögen vieler Ortsstiftungen so gering geworden, das sie nicht mehr den Stiftungszweck erfüllen, ja nicht einmal die Verwaltungskosten decken konnten. Die Gemeinden wurden aufgefordert, solche Stiftungen aufzuheben.

Das Schicksal der Gölerīschen Stiftungsurkunde von 1814, der Depositenkiste und von sieben verschollenen weiteren Urkunden aus des Gemeindearchiv blieben bis heute ein Geheimnis der Orts-Geschichte.


Auf Schatzsuche im Rathaus


Gölerische Stiftung 1814


Abschrift der Gölerschen Stiftungs-Urkunde 1814


Brot-Zuteilungsliste 1853


Brot-Zuteilungsliste 1854





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