Aus dem Kriegsjahr 1812 / 1813

Aufzeichnungen des ehemaligen Bürgers und Steuereinnehmers
(und Kirchengemeinderats)

Michael Trautmann von Neidenstein

Amt Sinsheim (aufgezeichnet etwa 1855)
( * 18.10.1788 + 19.05.1861 )


Gott, der Herr, lenket die Schicksale der Menschen. In ihm leben und weben und sind wir. Er führet sie wunderbarlich und seine Gerichte sind unerforschlich. Die Umstände der Zeiten und meine erreichten Mannesjahre bewegen mich zum Nachdenken an meine Erlebnisse und will dieselben mit Wenigem so kürzlich als möglich zur Eröffnung meiner Nachkommen aufzeichnen, nicht mir einen Ruhm damit zu machen, nein, es ist mir ja das Rühmen nichts nütze, sondern nur, wie es mir durch die Hand Gottes geleitet, gegangen ist. Es haben mich zwar an menschlichem Schicksal viele kümmerliche Zeiten getroffen, sowohl in Lebensnotdurft als an Lebensgefahr, wie es das Nachfolgende klärlich zeigen wird. Schon in meinem 18. Jahr traf mich am 7. April 1807 mit noch zwei Ortskameraden das traurige Los, bei der 1. Konskription zum Militär gezogen zu werden. (Zu den Kriegen Napoleons I. Die Süddeutschen hielten zu Napoleon gegen Preußen), Dieses verursachte dahier bei allen Einwohnern eine große Betrübnis, weil hier noch nie durchs Los gezogen worden sind, sondern immer nach Belieben Leute zum Militär herausgefangen worden sind. Die Betrübnis unserer Eltern war die größte, zumal wir uns nur noch einen Tag aufhalten durften, dann auf Wagen gebracht, gleich nach Karlsruhe in Garnison befördert wurden. Nach 2 Monaten Exerzierzeit mußten wir gleich in den Krieg mitziehen. Nun muß man sich denken, ein 18jähriger Bursch, der mit Ausnahme seiner Eqitrage auch noch beim Abmarsch 50 scharfe Patronen in die Tasche bekam (was in anderen Feldzügen nicht geschehen ist) wahrlich, man hätte nicht glauben sollen, daß man es bei dem heißen Sommer hätte ausführen können. Wir marschierten dann ohne wenig Rasttage nach schwedisch Pommern, vor die Festung Stralsund, um dieselbe zu blockieren. (Pommern gehörte von 1648 - 1815 den Schweden). Anfangs wurden wir hier mit Nahrungsmittel sehr schlecht versorgt, das Fleisch kam 8 Stunden weit von Greifswald, bis es in unser Lager kam, roch es übel und lebte von Ungeziefer. Um diese Jahreszeit waren auf dem Feld noch keine Früchte reif, allein, als die Kartoffeln und Erbsen nur ein wenig genießbar waren, wurde darüber hergefallen, was alsbald die weiße Ruhr unter das Volk brachte. Wir hatten vor dieser Festung gar keine Ruhe, wenn wir nicht auf Piquetten standen, mußten wir Batterien aufwerfen, Laufgräben machen u.s.w. Diejenige Soldaten, die sich im Lager befanden, durften auch nicht einmal bei Nacht abhängen, höchstens durften sie den Tornister abnehmen und bis 11 Uhr darauf ruhen, hernach mußten sie wieder ins Glied treten und bis Tag in Bereitschaft stehen, wenn etwa der Feind einen Ausfall machen sollte. Ich wurde mit einem Ortskameraden und noch mehreren auf eine Batterie kommandiert, da die Schweden einen Ausfall auf uns machten. Leider wurde mein bester Jugendkamerad von einer Kugel durch die Hand getroffen. Unser Leutnant befahl mir, ihn an ein zurückstationiertes Pique zu führen. Hier mußte ich mit großer Betrübnis zusehen, wie ihn ein Arzt mit einem Instrument die Hand untersuchte, was ihm große Schmerzen machte. Mit Tränen mußte ich ihn verlassen, habe ihn auch auf dieser Welt nicht mehr gesehen. Bei einem letzten Laufgraben machen, wo wir mit aller Heftigkeit arbeiten mußten, um vor den Schweden gut eingeschanzt zu sein, habe ich mir durch einen Trunk Seewasser ein starkes Fieber zugezogen. Nach einigen Tagen wurde die Festung übergeben, eine Kompanie von unserem Bataillon kam nur hinein. Ich wurde mit anderen Kranken auf Wagen geladen, die anderen marschierten in Kautruierung. Da man nicht wußte, wo man die Kranken unterbringen sollte, weil alle Spitäler, ja viele Kirchen als solche benutzt wurden, so wurden wir immer, wo wir hinkamen in Ställe und Speicher gebracht. Endlich kamen wir auch in einen Stall, wo Matrazen auf dem Pflaster lagen. Nach einigen Tagen kam Order, daß die Badischen ihr Standquartier in der Gegend von Stettin haben und die Kranken auch alle dahin gebracht werden sollen. Wir wurden wieder auf Wagen geladen, ich aber war ganz bewußtlos, wußte nicht, wo ich hinkam. Unterwegs trug man mich ins Spital von Pasewalk, wo ich immer noch nichts von mir wußte. Da genas ich doch und konnte nach kurzer Zeit zu meinem Bataillon nach Stettin, wo ich jedoch sehr schwach und mager ankam. Nun kam die Ordre nach Haus zu marschieren, da Kranke und Schwache nicht marschieren konnten, wurden wieder Wagen bestellt und Unteroffiziere wurden dazu kommandiert, die Kranken nach zu bringen. Nun wurde ich nochmals krank und kam mit noch etlichen nach Potsdam ins Spital, und zwar in ein solches, wo sehr gefährliche Kranke drinnen waren, und viele starben. Da ich nur ein wenig Besserung spürte, meldete ich mich weiter, kam aber nur bis Fulda, wo ich schon wieder das Spital aufsuchen mußte und man nicht glaubte, daß ich wieder genesen würde. Meine Eltern erhielten auch Nachricht, ich wäre gestorben und sie betrauerten mich, wie man einem Verwandten zu tun pflegt. Ungefähr 5 Wochen nachher kam ich nach Hause, zwar schwach und krank, aber meinen Eltern zu großer Freude. Bald danach mußte ich wieder zu meinem Regiment, es wurden auch aus unserem Ort bei der Konskription wieder mehrere gezogen, die alle zu diesem Regiment kamen, was uns gemeinschaftlich freute, Nun brach 1809 der Krieg mit Österreich aus. Wir marschierten schon im Februar von Karlsruhe weg und blieben ungefähr 3 Wochen in Pforzheim. Danach gings aber in starken Märschen ins Königreich Bayern hinein und wurden in Landshut schon vom Feind begrüßt. Er verlor aber gleich die erste Schlacht und es fielen Wagen, Chaisen u.s.w. in unsere Hände. Sie retuerten immer und wir mußten mit starken Märschen und anstrengen der Kräfte nach bis sie wieder bei Ebelsburg, 2 Stunden hinter Linz eine gute Stellung hatten, wo auch eine bedeutende Schlacht geliefert wurde, die viele Menschenleben gekostet hat. Nun marschierten wir mit aller Anstrengung bis nach Ungarn hinein. Da hatte ich das Glück, als Ordonanz bei unserem Herrn Obristen den Fuß zu übertreten, weshalb ich nimmer weiter konnte. Ich kam nun, da alle Spitäler voll waren, in Odenburg mit noch mehr Blessierten ins Quartier, wohin wir unsere Medizin vom Spital bekamen. Bei meiner Ankunft erfuhr ich die traurige Nachricht, daß meinem Nebenmann und Ortskameraden Weis von einer Kanonenkugel der Kopf zerschmettert worden sei, was mich sehr betrübte. Das hätte mir genau so geschehen können, wenn es die Vorsehung Gottes nicht anders beschlossen hätte. Nun wurde Stillstand gemacht und wir kamen ins Lager bei Hesterlitz in einer guten Gegend, wo wir allbereits 3 Monate zubrachten und endlich Frieden gemacht wurde. Wir kamen dann noch einige Zeit in Kontonierung, wo ich noch zwei Ortskameraden, den einen durch Krankheit, den anderen durch einen anderen Kameraden erstochen, verlieren mußte. Nun bekamen wir Ordre, nach Hause zu marschieren, so daß wir bis 1810 nach Karlsruhe kamen. Der Einmarsch wurde überall bekannt und viele Leute kamen, um ihre Söhne und Brüder zu bewillkommnen. Es kamen auch von unserem Ort unsere Brüder und wollten uns bewillkommnen, allein ich war der Einzige von unserem Regiment, der den Einmarsch mitmachen konnte. Von den 6 Ortskameraden waren drei tot und 2 waren noch zurück in Spitälern und es sind deren Angehörige mit großer Betrübnis wieder nach Hause gegangen. Nun hofften wir nun Ruhe zu bekommen vor dem Krieg, dieweil der Napoleon dem Kaiser von Österreich seine Prinzessin heiratete, aber dieser blutdürstige Napoleon hatte keine Ruhe und fing dann 1812 mit Rußland an. 1811 hatte er schon seine Truppen in Preußen versammelt. Der nun folgende Krieg war der allertraurigste durch seine ferne Lage und weil so viele Menschen und Kriegstiere dem Mangel und Strapazen anheimfielen. Wir marschierten bis Smolensk, wo wir am 15. Oktober ankamen und da einige Tage verweilten. Das Traurige, was man da mit ansehen mußte, ist nicht zu beschreiben. Die Toten von der Schlacht her waren nicht begraben und lagen in Massen um die Stadt herum, schwarz gebrannt von der Sonne. Es wurde darüber gefahren und geritten und noch von einigen darüber gespottet. Die Stadt war zum Teil abgebrannt, sie hatte aber ausgedehnte Vorstädte, worin einige von uns untergebracht wurden, die anderen biwakierten. Wasser durften wir keines aus den Brunnen schöpfen, weil Tote darin lagen und mußten unser Wasser aus dem Fluß Düna holen. Da erfuhren wir, daß sich Napoleon nicht länger in der Stadt Moskau habe halten können und schon am 15. Oktober dieselbe verlassen mußte. Sein Rückmarsch war ganz gefährlich, weil der russische General Wittgenstein, der gegen General Oudino stand 100 Stunden zurück und zu befürchten war, daß derselbe ihm gar den Paß abschneide. Nun bekamen wir Ordre, nämlich das 9. Armeekorps, das der Marschall Viktor kommandierte, uns mit dem Marschall Oudinot zu vereinigen und so marschierten wir rückwärts über Witebsk, von wo wir gleich ins Gefecht kamen. Wir schlugen uns 14 Tage da herum, bald rückten wir, bald die Russen vor. Als die Kälte so sehr wuchs, gingen wir am 9. November wieder in unser Lager zurück, wo wir noch Vieh zurück gelassen hatten. Da es diesem aber an Fütterung gemangelt hat und es auf dem Schnee kampieren mußte, war alles erfroren. Nun ging das große Elend an. Mangel, Kälte, Überfälle vom Feind, alles war auf uns gerichtet. Auf einmal schien es, als wäre Stillstand gemacht, was auch unser General bestätigte. Unsere Husaren und die russischen Plänkler rückten ganz nahe zusammen, ohne einen Schuß zu tun.. Wir marschierten auch hintendrein, bald wurde Halt gemacht, der Feind und wir sahen einander an und so verging der Tag. Was wir abends inne wurden, war uns ganz unglaublich: Die große Armee sei in Auflösung, ohne Wasser, ohne Pferd, kurz, alles in Unordnung im Rückmarsch. Den andern Tag konnten wir es selbst sehen, wir mußten dieselben beschützen. Man machte uns vor, wir sollten uns doch ein wenig reinigen, besonders unser Lederzeug, weil Napoleon morgen erscheinen werde; es hat sich aber kein Napoleon sehen lassen. - Ganze Regimenter Kavallerie marschierten ohne ein einziges Pferd. Infanterie ohne Waffen. Hunger und Elend brachten es so weit, daß einer von unseren Leuten seine goldene Uhr um einen Zwieback verkauft hat. So brachten wir es bis zum 26. November, bis wir an die Beresina kamen. Wir kamen auch glücklich hinüber, mußten aber am anderen Tag wieder herüber, um die Schlacht mitzumachen, die gleich anfangs sehr traurig für uns ausfiel. Durch das Kanonenfeuer büßten wir viele Leute ein. Eine Kugel fuhr zwischen mir und meinem Nebenmann durch und schlug unsere zwei Hintermänner tot. Mit Schrecken sah ich nur ein wenig herum, um dieselben zu sehen, da kam ein anderer Schuß, wahrscheinlich eine zersprungene Granate, die etliche tötete und blessierte. Wir mußten vorrücken und wurden vom zweiten Glied hervorgezogen. Hassert von Hoffenheim (Amt Sinsheim) war keine Stunde in demselben Glied, als ihm eine Kanonenkugel beide Beine abschlug. Derselbe rief dem Feldwebel und mir mit Namen und ersterer kommandierte mich und einige Soldaten, den Verwundeten zurück zu tragen. Wir legten ihn auf 2 Gewehre und trugen ihn bis an die Beresina. Dort legten wir ihn auf ein Wäglein und deckten ihn mit einem Mantel zu. Nun wollten wir auch sehen, wie wir über den Fluß kämen. Es war beinahe keine Möglichkeit, an die Brücke zu kommen, Wagen wurden umgeworfen auf die Menschen hinein, dann stieg alles über Menschen und Pferde weg. Vorn an der Brücke standen die Leibgarde mit blosen Schwertern, daß niemand über die Brücke ging. Da kam zu unserem Glück der Obristleutnant Eydorf, der blessiert war und gut französisch sprach, so wurden wir als Begleiter über die Brücke gelassen und so kam ich glücklich über die Beresina. Nun mußten wir die Arriere-Garde bilden und machten noch einige kleine Gefechte mit, bis wir vor Kälte und Erstarrung die Gewehre niederlegen und dem traurigsten Schicksal preisgegeben waren. Da war kein Kommando noch irgend eine Obrigkeit mehr, keiner konnte dem anderen Hilfe leisten, jeder mußte auf sich selber bedacht sein. Wir armen Flüchtlinge hatten weder Tag noch Nacht Ruhe, weil der Feind uns immer verfolgte, unsere anderen Feinde waren Kälte und Mangel, viele Tausende gaben ihr Leben auf. Ich könnte viele Beweise liefern, wie ich durch die Vorsehung Gottes so sicher geführt worden bin. Nur das einzige Beispiel von Kowno ( einer russischen Festung) will ich anführen. Da gerade die größte Kälte war und wir weder zu nagen noch zu beißen hatten, marschierten wir den ganzen Tag bis es Nacht wurde. Da kamen wir in eine Scheuer, wo Leute von unserem 2. Regiment Feuer gemacht hatten. Wir wollten uns mit ihnen vereinigen, um Anteil an ihrem Feuer zu nehmen, wurden aber zurück gewiesen. Da sagte ich zu meinen Kameraden, von denen ich noch der rüstigste war: wir wollen fort machen und wenn es 12 Uhr wird, bis wir in die Stadt kommen. Und so gingen wir weiter, bis wir vor die Stadt kamen. Allein es war gefährlich hinein zu kommen, die Menschen drückten einander, außer der Straße waren Gräben, die nicht wohl zu übersteigen waren. Ein guter Franzose sah mich, daß ich gern hinüber wäre und mir nicht traute. Er winkte mir auf einen Platz, wo ein Pferd im Graben lag und streckte mir sein Gewehr herüber, ich hielt mich daran, sprang auf das Pferd und er zog mich hinauf. Ein Gleiches tat ich auch meinem Kameraden. Allein der gute Franzose berichtete uns auch noch, daß im Magazin noch Brot und Schnaps wäre, und wir uns dahin begeben sollten. Bis war an den Platz kamen, stand das Magazin in Flammen. Branntwein gab es noch genug, wir füllten unsere Flaschen und tranken nach Belieben. Dann gingen wir, um eine Herberge zu finden. Da trafen wir einen Bedienten, der zwei Pferde hielt und beschäftigt war, ein Feuer anzumachen. Wir nahmen Teil daran und als wir uns niederließen, taten wir unseren Schnaps hervor, er hatte Brot und wir genossen alles freundschaftlich miteinander. Zu unserem Erstaunen kam einer unserer Offiziere mit einem Licht, gab mir dasselbe und sagte, ich solle mit ihm gehen. Er führte mich in einen Keller, wo aller Vorrat an Lebensmittel war, wo wir nahmen, was wir brauchten. Nun führte er mich in das Haus, da war unser Generalstab und noch mehrere Offiziere und Feldwebel. Jetzt mußte ich erkennen, daß mich der Herr wunderbar geführt hatte. Hätten mich die Kameraden vom 2. Regiment bei ihrem Feuer angenommen, so wäre ich diese Nacht von Kosaken gefangen worden, auch hätten wir nichts zum Leben gehabt, wo wir uns dahingegen wieder einmal recht gelabt hatten. Morgens bei Tagesanbruch kamen schon wieder die Kosaken und wir mußten uns schnell aus der Stadt machen, wo wir uns gerne noch verweilt hätten. Wir gingen dann über den Njemen und erhielten dann Ordre wo jedes Armeekorps sich sammeln sollte und war unser Sammelplatz nach Marienwerder bestimmt. Bis dahin begegnete mir noch manches Unangenehme, allein ich gelangte als einer der ersten meiner Kompanie dort an und ging mir wieder besser. Es war ein Depot unter Obrist Jagemann in Königsberg zurück geblieben, wo wir für 2 Mann Löhnung bekamen, die am ersten dort eintrafen erhielten auch Schuhe, etliche Mäntel, soviel noch vorhanden waren. Nun wurde gleich ein Kornet nach Karlsruhe geschickt, unsere Vernichtung dem Volk anzuzeigen. Wo man glaubte, es werden sich noch 500 Mann von den Unseren versammeln, waren es nur noch 300 von dem Kontingent von 10.000 Mann. Wir blieben hier noch 10 Tage, bis wir wieder von den Kosaken vertrieben wurden. Jetzt bekamen wir Order, nach Hause zu marschieren, hatten aber eine Reise von allerseits 400 Stunden vor uns. In jedem Land, wo wir hinkamen, wurden wir mit Tränen, manchmal auch mit Lachen empfangen, weil wir so buntscheckig daher kamen. Der eine hatte eine polnische Bauern-Montur an, der andere einen bis an die Knie abgebrannten Mantel u.s.w., nicht ein einziger war mehr regelmäßig montiert. In den Städten und Dörfern weinte mancher Vater und manche Mutter und möchten ihre Söhne so zurück haben, das aber wurde wenigen zuteil. Sie nahmen uns daher mit Freuden auf und verpflegten uns aufs Beste. Besonders in Sachsen wußten die Leute nicht, was sie uns tun sollten, wären wir ihre eigenen Söhne gewesen, sie hätten uns nicht mehr Gutes erweisen können. Von hier aus marschierten wir bis nach Buchen, allwo ich Urlaub nahm, damit ich am nächsten Tag über Mosbach nach Neidenstein gehen konnte. Da es hieß, daß in Heidelberg Rasttag sein sollte, wollte ich diesen Tag zu Hause zubringen. Als ich bei Helmstadt über den Wald kam, begegnete mit Michael und Bernhard Kreß, die gehört hatten, es wäre einer von Helmstadt gekommen und wollten von dem etwas über ihren Bruder erfahren, was ich ihnen aber ebenfalls mitteilen konnte. Wir gingen miteinander und ich fragte nach meinen Eltern und Verwandten. Sie gaben mir überall erfreuliche Nachrichten; bis wir aber nahe an das Dorf kamen da sagte der eine: wir können es doch nicht unterlassen, Dir zu sagen, daß Deine Mutter gestorben ist, (Anna Barbara geborene Gabel aus Epfenbach, + 06.11.1812, 64 Jahre alt) denn Du wirst es ja doch erfahren. Das bedrückte mich sehr, jedoch wurde ich von meinem Vater, Geschwister und Freunden mit Freuden empfangen. So endete dieser Feldzug, und ich konnte mit dem Psalmisten sprechen: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht, meine Burg, mein Hort auf den ich traue. Und wenn Tausend zu deiner Rechten und Zehntausend zu deiner Linken fallen, so wird es dich doch nicht treffen, denn der Herr erhält dich. Das ist bei mir in Erfüllung gegangen, nicht Tausend, sondern viele Tausend sind gefallen. Von den badischen Truppen gingen 10.000 in den Krieg, und nicht ganz 500 kamen wieder. Was die Kugel und die Lanze nicht getroffen, das nahm der Hunger und die Kälte dahin. Ich möchte hier doch auch meines frommen Sergeanten gedenken. Solange wir noch etwas hatten und täglich die Leute weniger wurden, ermahnte er uns oft beim Essen unserer Mehlsuppe: "Eßt und empfehlt euch dem Schutze Gottes, wer weiß, ob wir den Abend noch essen können". Dieser Sergeant kam auch glücklich nach Hause, da aber sein Bruder gezogen wurde, stand er für ihn ein. Bei Lützen bekam er einen Schuß, wurde nach Schmalkalden zurück gebracht und starb daselbst. - Ruhe seiner Asche - Als wir nach Karlsruhe kamen, wurden wir im Gasthaus "Zum Rappen" einquartiert. Da wurden diese Leute krank und starben einige davon. Man glaubte, wir hätten diese Krankheit mitgebracht, und so mußten wir unsere ganze Montur abgeben und diese wurde verbrannt. Bald darauf wurde wieder aufs neue rekrutiert und die Armee gegen die Russen verstärkt, allein es half alles nichts. Endlich kamen die Russen an den Rhein und unser Landesvater mußte sich mit ihnen alliieren. Wir mußten dann gegen Frankreich streiten. Gleich nach dem neuen Jahr 1814 wurden wir zu den Russen eingeteilt und kamen zur Belagerung der Festung Straßburg. Wir standen zuerst diesseits vom Rhein, zuletzt jenseits. Von da marschierten wir nach Pfalzburg um diese Festung zu blockieren; von da mußten wir wieder nach Straßburg, wo wir beinahe ein Vierteljahr standen, bis die große Armee alles vollbracht hatte. Nun wurde Friede gemacht, wir kamen noch eine Zeitlang ins Standquartier hernach marschierten wir in die Garnison Freiburg ab, allwo ich im folgenden November meinen Abschied erhielt. Freudig ging ich mit meinem Abschied nach Haus, wo ich auf den dritten Adventssonntag ankam, traf auch meinen 75jährigen Vater noch ganz gesund an. Diesen Abend wurde er aber krank und starb den folgenden Sonntag darauf. - Ruhe seiner Asche und einst ein fröhliches Wiedersehen! (Johann Georg Trautmann * 28.07.1740 Neidenstein, + 14.12.1814, dessen Mutter Anna Sybilla geborene Pfenninger war * 20.05.1703 in Rohrbach und + 10.01.1779 in Neidenstein)

Nachtrag
zu Nutz und Frommen des heutigen, oft so unzufriedenen Geschlechts. Mitteilungen über das weitere Leben des Schreibers obiger Erlebnisse. Nach diesen mitgemachten Kriegen begab ich mich am 5. Februar 1815 in den Stand der heiligen Ehe mit Katharina Böbel.(* 1791 + 18.01.1842) Gleich im Frühjahr brach der Krieg mit Frankreich wieder aus, als Napoleon von der Insel Elba herüber kam, und wir bekamen starke Einquartierung von den Russen, Österreichern und Bayern, sowohl auf dem Hinmarsch als nach gemachtem Frieden rückwärts. Auch Kriegsschulden von 1814 hatten wir noch genug zu bezahlen. So trat ich meinen Ehestand mit Beschwerden an; jedoch befand ich mich ruhiger und mit meiner Ehegattin vergnügter, als bei den mitgemachten Kriegen. Trotz der vielen Bevölkerung mußte man keinen Mangel leiden, bis das grausame Regenwetter am 1. Mai 1816 eintrat und den ganzen Sommer mit wenig Aufhören fortdauerte, so daß der Mangel bei Menschen und Vieh bald anfing. Dabei hatten wir in der Heuet ein Gewitter, daß die Schloßen das Fruchtfeld gegen Daisbach gänzlich vernichtete. Auf den übrigen Feldern wuchs auch nichts Gutes, so daß von einem Malter in der Mühle nur 2 Simri Kernen geschält wurden. Alle Gewächse hatten wenig Kraft, so daß Menschen und Vieh ganz kraftlos wurden. Das meiste Vieh konnte im Frühjahr 1817, ohne aufgeholfen zu bekommen, nicht aufstehen. Man konnte zur Bestellung des Feldes beinahe keine Bauern auftreiben, die Pferde konnten auch wegen Mattigkeit wenig aushalten. So kam eine Teuerung bis zur Ernte, so daß ein Simri Kartoffeln 1 fl. 30 kr. kostete, ein Malter Spelz 15 fl. Gerste 22 fl. und in mehreren Gegenden noch mehr. Darnach ist das Jahr 1817 sehr gut an Gewächsen aller Früchte wie auch das Futter für das Vieh ausgefallen, so daß gleich nach der Ernte das Malter Spelz auf 7 fl. herabfiel und an der Güte um die Hälfte besser war als 1816. Die übrigen Jahre wurde alles wohlfeil, besonders die 20er Jahre, so daß das Malter Spelz auf 2 fl. 18 kr. herabfiel. Im Spätjahr 1824 auf Martini kam ein schweres Gewitter und noch mehrere, daß die Gewässer groß wurden, Flüsse ausbrachen und Scheunen und Häuser fortrissen. An vielen Orten wurde die Wintersaat verdorben, weil der Bau des Landes mitgerissen wurde. Es wurden von hoher Regierung Anstalten getroffen an die Pfarrämter, daß sie in der Kirche den Leuten ans Herz legen sollten, ihren verunglückten Mitmenschen beizusteuern. Es wurden freiwillige Beträge gesammelt, nämlich Bauholz aus den Gemeindewaldungen, Früchte aller Art, und wurden einem jeden nach Verlust von der Obrigkeit, zugeteilt. 1827 ist zu bemerken, daß am 13. Januar eine große Kälte angefangen und bis in den März gedauert hat, so daß Menschen und Vieh erfroren sind, sowie auch viele Bäume. Selbst hier in Neidenstein mußten wir eine Weibsperson begraben, die von Eschelbronn nach Neidenstein gehen wollte, in den Schnee kam und da alle angewandten Arzneimittel nichts halfen, in wenigen Tagen den Geist aufgab. (Eintrag im katholischen Sterbebuch von Neidenstein: + 07.03.1827 Graß / Groß Eva Katharina, ledig aus Mosbach, welche bei tiefem Schnee und starker Kälte an Händen und Füßen erfroren von Eschelbronn nach Neidenstein gekommen und auch daran gestorben ist - 17 Jahre alt) Nun kam der 1828er Jahrgang. Bis dahin habe ich glücklich bei aller Verschiedenheit der Zeiten mit bester Zufriedenheit meine Ehe zugebracht. Allein die Vorsehung Gottes will mich auch in meinem Ehestand nicht ungerupft lassen und verhängte über mich eine schwere Krankheit und zwar im Monat Juni, wo das größte Geschäft anfing. Sechs Wochen lag ich schwer an Nervenfieber. Allein ich verlasse mich auf Gott er wird mich nicht verlassen.

Dieser Bericht wurde in der Familie vererbt. Berta Wick hat ihn entziffert und abgeschrieben.


Neidenstein, Burganlage - Als der Heimkehrer den letzten Hügel überstiegen, sah er vor sich sein Heimatdörflein liegen.


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