Ein Gernzstein, der vereint statt trennt

Bericht aus Reihn-Neckar-Zeitung am 25.06.1999

von Winfried Glasbrenner
Waibstadt-Daisbach. "Seyed gegrüßt, Ihr lieben Wandersleut" - Reinhard Stichling mußte seine Stimme anheben, damit ihn die gesamte, etwa 100-köpfige Wanderschar, die sich auf dem Daisbacher Dorfplatz versammelt hatte, auch hören konnte. Zum dritten und letzten Teil der Grenzwanderungen hatten die Freunde Daisbacher Geschichte' (FDG) und die BUND-Ortsgruppe eingeladen, zum Gedenken an den historischen Grenzumgang von 1747 sowie die 650-JahrFeier von Daisbach. Wie vor 252 Jahren begann die Etappe nach "gehörter Heiliger Meß." also nach dem Gottesdienst in der evang. Kirche. Und sie führte entlang einer Grenze, die eigentlich gar keine mehr ist, nämlich der zu Waibstadt. Nach kurzer Wanderung durch die Stadtäcker erreichte die Gruppe den Hauptschauplatz des Tages, das sogenannte "Erste Waldeck" des Espig- oder Kautschaft-Waldes. Hier begrüßte Winfried Glasbrenner namens der beiden Veranstalter die Teilnehmer und stimmte nach einem geschichtlichen Rückblick auf das folgende "Prozedere" ein: der Punkt an exportierter Lage, beim topographischen Grenzpunkt Nr. 274 und genau 247,5 Meter über dem Meeresspiegel war ausgewählt als Standort für einen Gedenkstein. Dieser soll einerseits, als Ausdruck des Selbstbewußtseins der Gemeinde Daisbach, an deren eigenständige Geschichte, eigene Identität und kulturelle Tradition erinnern, andererseits aber auch die entstandene Gemeinschaft, mit Waibstadt symbolisieren. Denn die Idee und die Organisation hatten die Daisbacher Geschichtsfreunde, hergestellt hat den Stein der Waibstadter Steinmetzmeisterbetrieb Lutz und gesponsort die Volksbank Schwarzbachtal e.G. . Und von Bürgern aus beiden Orten wurde der Stein auch gemeinsam gesetzt, nicht jedoch bevor diese von Feldrichter Reinhard Stichling zu "Feldgeschworenen" vereidigt wurden: eine alte Formel aus dem Jahre 1600 nachsprechend gelobten sie, ihren Pflichten "mit untertänigem Fleiß nachzukommen." Steinmetz Heinz Lutz mit seinen Söhnen Heinrich und Michael, alle erschienen in standesgemäßer festlicher Kleidung, stellten den Stein auf und zementierten ihn fest. Derweil trugen sich die Versammelten in eine lange Liste ein, die schließlich, zusammen mit der aktuellen Ausgabe der "Rhein-Neckar-Zeitung", Münzen, Jubiläums-Aufklebem, einer CD und anderen Zeitdokumenten in einer "Time Capsule" verstaut wurden. Nach einer Stafette durch Kinderhände durfte der kleine Maurice Gundt die luftdicht verschlossene Zeitkapsel in eine Röhre unter dem Gedenkstein schieben, wo sie einbetoniert wurde. Ortsvorsteher Egbert Rudy würdigte den Gedenkstein als "ersten Grenzstein, der nicht trennt, sondern verbindet" und auch Bürgermeister Hans Wolfgang Riedel hob hervor, daß die Aktion gemeinschaftlich von Waibstadtern und Daisbachem ausgeführt wurde. Mit Waibstadter Heimatbier und Brezeln wurde das gelungene Werk gefeiert, das Reststück der Wanderung durch den Espig bis zum "Dreiländereck" Daisbach - Waibstadt - Neidenstein war dann eigentlich nur noch Nebensache. Beim Sommerfest des Tischtennisclubs auf dem Schulhof fand die Veranstaltung ihren gemütlichen Abschluß.





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