Zur Strafe über den nächsten Stein gepritscht

Bilder von der 1.Grenzwanderung am 17.August 1997



Start um 09:00 Uhr
Seyed alle gegrüßt hieß Reinhard Stichling eine halbe Hundertschaft Wandersleute willkommen zur 1. Grenzwanderung.



Beim Hohen Stien gestaucht
Beim Hohen Stein im gleichnamigen Gewann am großen Wald wurde Simon Heiss, ein Enkel von Gustav Heiss, von Feldrichter R. Stichling und dem Feldgeschworenen D. Schmitt gestaucht.



Über Grenzstein gepritscht
Über einen Grenzstein bei Flur Schnetzer wurde Florian Lenz gepritscht. Früher waren diese Prozeduren schmerzhaft, heute sind sie eher scherzhaft.



pro memoria gestaucht
Auf dem Stein im Obersaugrund wo sich Sinsheim, Waibstadt und Daisbach treffen wurde pro memoria Laura Glasbrenner gestauchet. In der Literatur gibt es keine Hinweise, ob damals auch Mädchen gestaucht wurden. Laura wird wohl die erste in der Geschichte sein.



Dreimärker im Obersaugrund
Hier wurde vor 250 Jahren David Hennig "gestürzet". Hennig war damaliger Anwalt, das heißt Bürgermeister von Daisbach, heute ist Egbert Rudy Ortsvorsteher. Seinen Knochen zuliebe wurde dieser zwar nicht gestürzet, also umgestoßen, sondern über den Stein gelegt und gepritscht, wobei auch sein Vorgänger Richard Schmitt die Rute führen durfte.



Über die Flur Eckzehnten
Hier an diesem Grenzzug zu Hoffenheim gab es in vergangenen Jahrhunderten immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den auf alten Rechten pochenden Hoffenheimern und den nicht minder starrköpfigen Daisbachern. Grenzsteine wurden in Nacht- und Nebel-Aktionen umgesetzt oder zerschlagen. Doch dies ist Geschichte.



Doch was war das ?
Ein besonders schönes Exemplar eines über 250 Jahre alten Grenzmärkers mit dem Stiftswappen beschädigt und umgeworfen, andere Steine zugedeckt. Hatte sich hier die Geschichte wiederholt?



Hochnotpeinliche Bestrafung wegen Grenzfrevels
Mitwanderer H. Gilbert aus Hoffenheim wurde zur Strafe über dem nächsten Stein gepritscht, nur symbolisch natürlich.



Abschluß im Röhrlein
ach der fast vierstündigen Tour erreichte der Wandertroß das schattige Freizeitgelände der Familie Rudi Heller im Röhrlein, wo ein quellwassergekühlter Umtrunk erquickte und auf dem Grillfeuer Steaks und Würste garten.



Rein-Neckar-Zeitung/Nr.177/Seite 4/Aus dem Kraichgau

Eine Grenzwanderung wie vor 250 Jahren

Waibstadt-Daisbach (wg) Grenzen gibt es, solange Menschen miteinander in Beziehung stehen. Die Gemarkungsgrenze spielte schon im alten deutschen Recht und im Bewußtsein des Volkes in früherer Zeit eine bedeutsame Rolle, sie steht unter besonderem Rechtsschutz. In Daisbach ziehen sich die jahrhundertelangen, zum Teil blutigen Auseinandersetzungen mit den Hoffenheimer Nachbarn um den sog. Eckzehnten wie ein roter Faden durch die Geschichtschreibung. Auf ein Grenz-Ereignis, das sich 1997 zum 250. Mal jährt, stieß der Daisbacher Heimatkundler und Hobby-Archäologe Reinhard Stichling bei seinen Nachforschungen: den Meckesheimer Centumgang von 1747.

Grenzumgänge mit besonderer Bedeutung
Dieses Jubiläum wollen Daisbacher Heimatfreunde zum Anlaß nehmen, in einem Vortrag und einer Grenzumwanderung in mehreren Etappen der Öffentlichkeit und insbesondere der Jugend dieses Thema näherzubringen. Das Prozetere der Grenzsteinsetzung, die Bedeutung der Grenzsteine und der historische Gemarkungsverlauf werden erklärt und vermitteln interessante Einblicke in die Geschichte und die Bräuche früherer Zeit. Vielleicht für manchen auch ein Anstoß, die nähere Heimat genauer zu erforschen.
br> Grenzumgänge dienten einst der Kontrolle und Überprüfung des Grenzzustandes, manchmal auch der Bereinigung oder Festlegung eines neuen Grenzverlaufes, Für Jahrzehnte und Jahrhunderte sollten Grenzverläufe im Bewußtsein der Menschen verankert werden, die Positionen wichtiger Grenzsteine oder anderer markanter Grenzpunkte sollten sich durch feierliche Riten den Bewohnern ins Gedächtnis einprägen. Ein solcher feierlicher Akt war auch der Meckesheimer Centumgang', von dem Alfred Caroli berichtete. Im Meckesheimer Cent waren einst 21 Dörfer zusammengeschlossen, von Baiertal im Westen bis Waldhilsbach und Waldwimmersbach im Osten. Etwa zwei Drittel der Gemarkungsgrenze von Daisbach bildete auch gleichzeitig die südliche Außengrenze des Meckesheimer Cent zu den reichsritterlichen Dörfern Neidenstein und Hoffenheim, zu Sinsheim sowie dem Speyer zugehörenden Waibstadt. Am 11. Juli 1747 also versammelte sich in der Ratsstube von Neckargemünd das Centgericht unter Vorsitz des Centgrafen Johannes Petrus Minett. Aus Daisbach nahm Georg Jacob Heller teil. "Nach gehörter Heiliger Meß " setzte sich, so der Chronist, "der Comitat zu Pferd in Bewegung zum Grenzumgang unter Trompetenschall und mit entblößtem Gewehr in Richtung Bammental". Dem Troß gehörten neben den Centrichtern aus den einzelnen Gemeinden, Schreibern und Forstsachverständigen auch ein Trupp von 60 Reitern an, Soldaten vom Prinz Bürkenfeldschen Regiment.

An jeder Gemarkungsgrenze stießen Ratsmitglieder, der Schultheiß oder andere Honoratioren des Ortes hinzu, die den Zug über ihr Gemarkungsgebiet begleiteten. Verhandlungen wurden geführt und ortsspezifische Grenzprobleme erörtert, Nach einem ernsteren Zwischenfall in Hoffenheim - der Transit durch das reichsritterliche Dorf konnte nur mit Gewalt erreicht werden - erreichte die Truppe nach zwei Tagen Daisbacher Gemarkung.

David Hennig wurde "gestürzet"
Hier bewegte sich "der Conduct zum Hohen Stein im Eckzehenden, wo sich die Gemarkungen Sinsheim, Hoffenheim und Daisbach, zum Orleswald, zum Stein im Obersaugrund, wo sich Sinsbeim, Waibstadt und Daisbach treffen; hier wurde pro memoria David Hennig "gestürzet". Hennig war damaliger Anwalt, das heißt Bürgermeister von Daisbach. "In der Folge des festgestellten Steins gelangte man u. a. durch den Gewann Große Klingen (heute Wald Kautschaft oder Espig) bis an den Eckstein, wo die Gemarkungen Waibstadt, Neidenstein und Daisbach zusammenstoßen. " Hier machte der Stadtschultheiß der speyerischeit Stadt Waibstadt, Herr Lampe "seine Aufwartung". Der nächste wichtige Stein war der Eckstein der Neidensteiner und Daisbacher Gemarkung, nachdem man an dem Daisbacher Herrschaftswald und an dem Stahl Bühel (heute Stallbügel) vorbeigeritten war. Hier verließ der Troß Daisbacher Bereich und zog weiter entlang der Grenze Eschelbronn/Neidenstein bis nach Mückenloch, von wo man mit Booten auf dem Neckar wieder nach Neckargemünd zurückfuhr.

Grenzwanderung am 17. August
Wer noch mehr von den historischen Hintergründen und Geschehnissen erfahren will, hat dazu Gelegenheit bei einer Gemarkungsgrenzenwanderung, die Reinhard Stichling führen wird, Unbekannte Einzelheiten und markante Grenzsteine mit geheimnisvollen Zeichen werden bei dieser Wanderung erforscht und erläutert. Der erste Teil der Wanderung führt entlang der Waibstadter, Sinsheimer und Hoffenheimer Grenze; sie beginnt am Sonntag, 17. August 1997 um 10 Uhr auf dem Friedhof-Parkplatz und endet gegen Mittag an idyllischer Stelle in Ortsnähe, wo für eine leibliche Stärkung gesorgt ist. Organisiert wird dlas Ganze vom "Stammtisch der Daisbacher Heimatfreunde" und der BUND-Ortsgruppe, die die Öffentlichkeit herzlich zur Teilnahme einladen. Im Herbst folgt dann ein Abendvortrag als theoretische Ergänzung.


Rein-Neckar-Zeitung/Nr.210/Seite 6/Aus dem Kraichgau

Zur Strafe über den nächsten Stein geprischt

Waibstadt-Daisbach(wg) "Seyet alle gegrüßt' hieß Reinhard Stichling eine halbe Hundertschaft Wandersleute willkommen, die der Einladung der" Freunde der Daisbacher Geschichte' sowie der BUND-Ortsgruppe Daisbach gefolgt waren. Auf historischen Pfaden wollte man wandern, entlang der Daisbacher Grenze, genau wie im Juli 1747 der große Conduct beim "Meckesheimer Centumgang' (vgl. RNZ vom 4.8.97).

Los ging's durch die "Spitzäcker' hin zum "Hohen Stein" im gleichnamigen Gewann am Großen Wald. Hier demonstrierte Reinhard Stichling, wie damals, als es noch keine Lagerbücher, Vermessungsämter und Satellitenvermesung gab, schon den Kindern die Gemarkungsgrenzen eingeprägt wurden: durch "Stauchen' - die Kleinen wurden mit dem Hintern auf die Grenzsteine gestoßen. Und den Ort dieses schmerzhaften Erlebnisses vergaßen sie ihr ganzes Leben nicht mehr.

Entlang der langen Grenze zu Waibstadt erreichte der Troß das Eck, an dem, sich Daisbacher, Sinsheimer und Waibstadter Gemarkung treffen. Hier, im Obersaugrund, steht ein mächtiger Dreimärker', also ein Stein, der drei Gemarkungsgrenzen markiert, und hier wurde vor 250 Jahren David Hennig "gestürzet". Hennig war damaliger Anwalt, das heißt Bürgermeister von Daisbach, heute ist Egbert Rudy Ortsvorsteher. Seinen Knochen zuliebe wurde dieser zwar nicht gestürzet, also umgestoßen, sondern über den Stein gelegt und "gepritscht", wobei auch sein Vorgänger Richard Schmitt die Rute führen durfte. Weiter ging's auf dem Grenzweg bis zur Lochwiese und danach querwaldein durch den Stiftswald Orles hinaus zum hintersten " Eckzehnten'.

Diesen Punkt konnte 1747 der Troß der Centrichter, Schreiber und Forstsachverständigen erst nach einem ernsteren Zwischenfall im reichsritterlichen Hoffenheim erreichen. Hier an diesem Grenzzug zu Hoffenheim gab es in vergangenen Jahrhunderten immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den auf alten Rechten pochenden Hoffenheimern und den nicht minder starrköpfigen Daisbachern. Grenzsteine wurden in Nacht- und Nebel-Aktionen umgesetzt oder zerschlagen, mit Sensen und DreschflegelbewaffneteBauern lieferten sich öfters ein Scharmützel. Doch dies ist Geschichte, längst ist der Grenzverlauf geklärt.

Doch was war das? Von Hoffenheim ist der Feldweg entlang der Grenze ausgebaut worden, Erde und Baumstümpfe wurden einfach in den Daisbacher Wald geschoben. Und ein besonders schönes Exemplar eines über 250 Jahre alten Grenzmärkers mit dem Stiftswappen beschädigt und umgeworfen, andere Steine zugedeckt. Hatte sich die Geschichte wiederholt? Sappeur Stichling erhob pro memoria Anklage gegen Hoffenheim wegen Grenzfrevels' und verlangte zur Genugtuung hochnotpeinliche Bestrafung des Übeltäters'. Mitwanderer Gilbert aus Hoffenheim wurde zur Strafe über dem nächsten Stein gepritscht, nur symbolisch natürlich. An dieser Stelle zeigte Stichling auch das einstige Ritual der Grenzsteinsetzung, die nur den beiden "Feldgeschworenen" bekannt waren und den Bestand und das Lager des Steins garantieren sollten.

Nach der fast vierstündigen Tour erreichte der Wandertroß das schattige Freizeitgelände der Familie Rudi Heller im "Röhrlein", wo ein quellwassergekühlter Umtrunk erquickte und auf dem Grillfeuer Steaks und Würste garten. Namens der Wanderschar bedankte sich BUND-Vorsitzende Winfried Glasbrenner bei Reinhard Stichling, der auch eine selbst erstellte Wanderbroschüre verteilte, für den informativen Ausflug in die Vergangenheit und bei Familie Heller für die Gastfreundschaft. Noch bis zum Abend saß man beisammen und ließ den Sonntag ausklingen.





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